Aikido

合気道

Eigentlich hatte Jürgen vor, in Japan Japanologie zu studieren. Zwei Jahre nach dem Abitur war der erste Flug nach Japan gebucht: am 19. Oktober 1972 landete er in Tokyo Haneda. Doch ein einziges Treffen sollte sein Leben in eine völlig neue Richtung lenken – das erste Training in Aikido entfachte eine Leidenschaft, die ihn nie wieder loslassen sollte.

Jürgen begann seine Ausbildung in der japanischen Kampfkunst im Hombu-Dojo in Tokyo, dem Dojo ersten Ranges, das 1931 vom Begründer des modernen Aikido, Ueshiba Morihei, gegründet wurde. Zunächst blieb er ein halbes Jahr in Tokyo, doch Japan hatte ihn fest im Griff. Nach einem kurzen Aufenthalt in Berlin zog es ihn erneut nach Japan – diesmal mit dem klaren Ziel, den schwarzen Gürtel zu erreichen.

Zurück in Berlin gab es damals nur ein Aikido-Dojo, geleitet von Gerd Walter am Mehringsdamm. Dort trainierte Jürgen regelmäßig, wann immer er in der Stadt war. Sein nächster Japanaufenthalt dauerte länger: Inzwischen hatte er sich in der Stadt Kamakura niedergelassen, weiterhin hart im Hombu-Dojo trainierend. Mit dem 3. Dan (3. Schwarzgurt) kehrte er schließlich endgültig nach Berlin zurück. Japan blieb ihm innerlich verbunden, doch Besuche in seiner zweiten Heimat beschränkten sich nun auf wenige Wochen im Jahr.

Am 4. Mai 1982 gründete Jürgen sein eigenes Dojo: Aikika Berlin. Zunächst in der Zossener Straße in Kreuzberg, später am Oranienplatz, entwickelte sich das Dojo schnell zu einem Zentrum für Aikido-Enthusiasten. 1994 nahm er seinen langjährigen Schüler Harald Ross als Teilhaber auf und übertrug 2002 das Dojo vollständig an ihn. Jürgen selbst wollte nun nur noch trainieren – ohne die Rolle des Lehrers.

Aikido spielt auch in vielen seiner Romane eine zentrale Rolle. Er widmete sie häufig seinen Trainingspartnern und ließ die Kunst des Aikido in den Krimis lebendig werden. Für Insider sind die Würfe und Techniken der Protagonisten nicht nur spannende Details, sondern lebendige Spiegel seiner eigenen Leidenschaft. Bei Jürgen gibt es eben kein „Happy End“ ohne Aikido.

Textbausteine zu AIKIDO aus Jürgens Romanen

Was ist Aikido?


Ueshiba Morihei, der Begründer dieser Kampfkunst, hat das Schriftzeichen AI von Harmonie bewusst durch das Zeichen ai von Liebe ersetzt. Der alte Meister hat einen Angreifer nie als Feind oder Gegner definiert, sondern stets als einen irregeleiteten Partner, der mit Güte zur Einsicht gebracht werden soll, von seinem ungerechten Tun Abstand zu nehmen und sein negatives Handelns zu begreifen. Theoretisch ist es zumindest so. Vorsichtig hatte Tadayama ((Protagonist aus Aikido Speed)) sein verletztes Auge betastet. Der Aggressor wird überzeugt, indem man seine Aggression ins Leere und letztlich auf ihn selbst zurücklenkt.

(J.Ebertowski. Aikido Speed. Berlin Crime 10, Edition Monade, 1994, S.20)

Wie der Kurs hieß. Hatte Harry nicht verstehen können, denn hinter der Wand, die den Empfangs- vom Übungsraum trennte, hatten ohrenbetäubende Fallübungen begonnen. „Da hinten kannst du zuschauen. Sieht zwar so aus, ist aber keine Selbstverteidigung im herkömmlichen Sinn. (…)“ Hrry trat an die bruchsichere Scheibe. Etwa zwanzig Männer und Frauen rannten durch den Raum und sprangen alle paar Meter so hoch, wie sie konnten, drehten sich in der Luft und landeten dann krachend mit einer Körperseite flach auf dem gepolsterten Schwingboden. Dass es sich um Fortgeschrittene handelte, bewies die Eleganz, mit der diese Leute nach dem harten Aufkommen wieder in den Stand federten. Nach der Fallschule fingen die Schwarzgurtprüfungen an. Harry musste ein wenig lächeln, als er die tänzerischen Bewegungen der Sportler beobachtete. Um Judo jedenfalls handelte es sich nicht, um Karate ebenso wenig. Es war etwas, das Harry noch nie gesehen hatte, und wenn er es mit dem harten Training seiner Judo-Zeit verglich, kamen ihm Zweifel, ob es sich überhaupt um einen Kampfsport handelte. Andererseits bedurften die Würfe offenbar einer enormen Schnelligkeit und eines perfekten Timings, so dass er lange aufmerksam und fasziniert zuschaute. Immer wieder bemerkte er Handhebel, die im Judo als zu gefährlich galten und daher verboten waren.

(J.Ebertowski. Aikido Speed. Berlin Crime 10, Edition Monade, S.86/87)

„Sie haben wirklich eine hervorragende Aikidotruppe aufgebaut, Vera-san. (…) Andererseits staunen Ihre Aikidoka (…), dass der Teamgeist meiner Gruppe auch die nicht so begabten Mitglieder (…) stützt. (…)“
„Nun ja“, setzte Vera hinzu, „Das Training ist wirklich ordentlich gelaufen. (…) Aber, Tadayama-san, Sie haben eben einen wunden Punkt erkannt. (…) „Das Ai“, erklärte sie schließlich, „das AI, auf das Sie und ich so viel Wert legen, dieses gemeinsame Üben und einander helfen, das ist von einigen in der Aikido-AG noch nicht richtig verstanden worden.“

(J.Ebertowski. Aikido Speed. Berlin Crime 10, Edition Monade, S.167)

Beeindruckend groß war sie nicht, die Osloer Aikidogruppe, die mich als Gastlehrer eingeladen hatte, dafür aber um so engagierter. Aikido wird auch als Meditation in Bewegung bezeichnet, was viele meiner Trainingskollegen dazu verführt, stundenlang im Schneidersitz eine Wand anzustarren und es Aikido zu nennen. Wohltuenderweise überwog bei den Norwegern die Bewegungsfreude.“

(J. Ebertowski, Berlin Oranienplatz. Ullstein 1998, S. 11)

Binder ließ augenblicklich von mir ab, verbeugte sich vor unserer Trainerin und griff an. Er hielt das Messer, als würde er einen Florettstich zum Solarplexus ausführen. Wechselte blitzschnell in die andere Hand und zielte auf Schwester Veras Halsschlagader. Die Finte vermochte nicht, Schwester Vera zu irritieren. Sie blockierte seinen Messerarm, drehte sich schwungvoll ein und warf mir Binder mit einem Hüftwurf vor die Füße.

(J. Ebertowski, Berlin Oranienplatz. Ullstein 1998, S. 88)

Die Meinungen über die Aikidogruppe von Tadayama-sensei waren geteilt. Einerseits machten Tadayama und seine Schüler unbestreitbar ein dynamisches Aikido, andererseits nahm man es mit der klassischen Aikidolehre bisweilen nicht allzu genau. Hauptsache, die Handhebel wirkten, und die Würfe waren effektiv. Man feierte außerdem oft uns gern (und trank dementsprechend Sake). Zu viel, wie die puritanischen Kritiker fanden, für die Aikido als Ersatzreligion fungierte und deren stärkstes Getränk ein doppelt gebrühter Brennsesseltee war.

(J. Ebertowski, Esbeck und Mondrian. Ullstein 1997, S. 81)

Ken Tadayama schaute nicht auf das Messer der Frau. Er beobachtete ihre Augen. Sie hielt die Waffe in Hüfthöhe in der rechten Hand. Die Messerspitze zielte genau auf seinen Bauch. Ken ließ die Arme hängen. Mit einem Schrei sprang sie vor. Es war ein gerade ausgeführter Stoß. Einen Sekundenbruchteil, bevor die Spitze ihn traf, glitt Ken einen halben Schritt nach links aus der Angriffslinie. Die Waffe berührte ihn nicht, aber der Ellenbogen der Frau Streifte seinen Jackenärmel, als die Messerhand ins Leere stieß. Blitzschnell packte Ken das Handgelenk der Frau mit der Linken, gleichzeitig presste er mit aller Kraft die Fläche seiner rechten Hand auf den Handrücken, hebelte das Gelenk so, dass die Spitze jetzt auf die wies. Dann, ohne den Griff zu lockern, drehte er sich ruckartig nach links um die eigene Achse. Dabei führte er den Messerarm nach unten. Die Frau schoss kopfüber an Ken vorbei, überschlug sich in der Luft und fiel klatschend auf den Rücken. Die Waffe hFläche geworfen, sondern auf die Übungsmatte im Dojoielt sie noch immer fest umklammert. Er entwand ihr das Messer mit einer weiteren energischen Drehung des Handgelenks – und lachte.
Die Frau stand geschmeidig auf, denn Ken hatte seine Angreiferin weder auf Beton, noch auf eine andere harte Fläche geworfen, sondern auf die Übungsmatte im Dojo, wie alle Räume oder Häuser hießen, in denen die traditionellen japanischen Kampfkünste praktiziert wurden.

(J. Ebertowski, Die Akte Einbeck. KBV Krimi 2005, S.17)

„Ach, Herr Tadayama, um die Wahrheit zu sagen, diese ganze Aikido-Politik kümmert uns im Aikikan nicht sonderlich. Wir machen Aikido einfach, weil es Spaß macht, sich dynamisch zu bewegen und dabei tüchtig zu schwitzen. Wissen Sie, wenn wir am Ende der Stunde schnaufend und keuchend am Mattenrand sitzen, und auch alle Anfänger das Trainingstempo tapfer durchgehalten haben und sich auf ein wohlverdientes Bier freuen, dann ist das für uns – äh – Meditation genug. Außerdem wird beim Üben viel gelacht.“

(J. Ebertowski, Die Akte Einbeck. KBV Krimi 2005, S.33/34)

Umeda-sensei hätte seine Freude daran gehabt, wie engagiert man im Aikikan bei der Sache war. Niemand überforderte den Trainingspartner, aber Grundkonsens herrschte darüber, möglichst bis an die individuelle Leistungsgrenze zu gehen. Ken hatte immer jeweils eine Technik mit allen Dojomitgliedern eingeübt. Jeder hatte sein Bestes gegeben. Ken war zufrieden gewesen. So sollte es beim Aikido sein. Am Ende der Stunde hätte er seinen Judoanzug auswringen können.

(J. Ebertowski, Die Akte Einbeck. KBV Krimi 2005, S.55)

Beim Aikido trainiert grundsätzlich jeder mit jedem. Während der Lehrer einen Wurf oder Haltegriff demonstriert, ist es Sitte, dass sich alle Aikidoka an den Mattenrand kniene. Hat der Sensei die Technik vorgeführt und erklärt, verbeugt man sich vor dem, der gerade am nächsten sitzt. Da immer Partnerwechsel angesagt ist, wenn der Lehrer in die Hände klatscht, sei es, um eine andere Technik zu zeigen, sei es, um einen komplizierten Wurd erneut zu erläutern, kann es sich ergeben, dass man im Laufe einer Aikido-Stunde mehrmals den gleichen Übungspartner hat.


(J. Ebertowski, Die Akte Einbeck. KBV Krimi 2005, S.61)

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